Mystik und Harmonik

Eein Beitrag von Willibald Limbrunner

 

Mystik hat heute in aller Regel eine negative Konnotation. Die Definition lt. Wikipedia:

 

Der Ausdruck Mystik (von griechisch μυστικός mystikós ‚geheimnisvoll‘, zu myein ‚Mund oder Augen schließen‘) bezeichnet Berichte und Aussagen über die Erfahrung einer göttlichen oder absoluten Wirklichkeit sowie die Bemühungen um eine solche Erfahrung. https://de.wikipedia.org/wiki/Mystik

 

Im landläufigen Sinne wird „absolute Wirklichkeit“ religiös interpretiert. Der Ausdruck „absolute Wirklichkeit“ würde, so gesehen, eine umfassende Abhandlung der europäischen Geschichte erfordern. Dennoch werden Ergebnisse moderner Forschung heute als „absolute Wirklichkeit“ in Szene gesetzt. Auch das will kritisch hinterfragt werden. Die Mathematik mag wohl noch als Refugium einer Wirklichkeit gesehen werden, die auch heute noch den Rang einer absoluten Wirklichkeit besitzt. Gegen mathematische Regeln ist nichts einzuwenden, denn sie führen zu korrekten Ergebnissen. Dies jedoch nur innerhalb der mathematischen Axiomatik und nicht in Bezug auf die Welt, die wir wahrnehmen. Beide, die Welt der Wahrnehmung und die Mathematik wurden schon vor zweieinhalb tausend Jahren in einer wunderbaren Symbiose miteinander Verbunden.

Pythagoras von Samos gilt heute als der Beginn dieser Symbiose zwischen Mathematik und Welt, zwischen Idee und Wirklichkeit. Pythagoras gilt als Entdecker des Zusammenhangs der Länge einer Saite und ihrem Klang. Heute würden wir das als Zusammenhang zwischen Wellenlänge (Saite) und Frequenz (Klang) sehen wollen. Wir lassen die physikalische Definition des Klanges zunächst vereinfachend beiseite.

Dieser Zusammenhang vereint zwei scheinbar unvereinbare Dinge. Das innerweltliche Erlebnis des Klanges und der physikalisch-mathematische Aspekt der Klangerzeugung. Dabei gelangen wir zu dem, was die Griechen „myein“ nannten, dem „Schließen der Augen“, dem innerweltlichen Erleben einer „absoluten Wirklichkeit“, die uns als das mathematische Längenverhältnis zweier klingender Saiten entgegentritt. Wir haben das, was in der Musik lapidar, Intervallverhältnis genannt wird. Jedoch ist es zutiefst „mystisch“ und wird in der Harmonik Hans Kaysers, „Akroasis“ (Anhörung) genannt.

Ein harmonikales Längenverhältnis lässt sich auf zwei ganze Zahlen zurückführen:

 

„Die ganzen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist Menschenwerk.“
Leopold Kronecker

 

Im Mysterium der ganzen Zahl scheint der religiöse Aspekt der Mystik in der Mathematik als absolute Wirklichkeit auf.

Seit der Entdeckung des Planckschen Wirkungsquantums durch Max Planck und die Enträtselung der Atomstruktur ist die pythagoreische Zahlensphilosophie keine Spekulation mehr. Heisenberg schreibt:

 

… seit der berühmten Arbeit von Planck aus dem Jahre 1900 nannte man solche Forderungen Quantenbedingungen. Und diese Bedingungen brachten eben jenes merkwürdige Element von Zahlenmystik in die Atomphysik, von dem vorher schon die Rede war. Gewisse aus der Bahn zu berechnende Größen sollten ganzzahlige Vielfache einer Grundeinheit, nämlich des Planckschen Wirkungsquantums sein. Solche Regeln erinnerten an die Beobachtungen der alten Pythagoreer, nach denen zwei schwingende Saiten dann harmonisch zusammenklingen, wenn bei gleicher Spannung ihre Längen in einem ganzzahligen Verhältnis stehen.
Werner Heisenberg, Der Teil und das Ganze, 8. Aufl., 2010, Piper Verlag, München, S.47.

 

Mystik und Quantenphysik begegnen sich auf neue und unerwartete Weise. In der Tat bleiben solche Aussagen nicht im Ungefähren. Das Atom ist ein Hort ganz konkreter harmonikaler Zusammenhänge:

Harmonikale Betrachtungen über die modernen Vorstellungen vom Atom

Viele mystische Texte wie auch die Bilderwelt der Hermetik ist von Harmonik durchdrungen. Belege pythagoreischen Wissens sind in fast allen mystischen Bewegungen erkennbar. Viele Exempel finden wir bei Robert Fludd. Fludds „Himlisches Monochord“ wurde zum harmonikalen Aufmacher, ist jedoch geradezu eine Illustration zu Heisenbergs Zitat:

Ich habe allerdings noch tiefer greifende Betrachtungen angestellt, die zeigen, dass die mystischen Texte überraschende Erklärungen liefern, wenn wir sie richtig lesen:

Die Tabula Smaragdina Hermetis

Neue Auffassungen um das Herz als Organ

Jacob Böhme, Mysterium Pansophicum